Alles ausser gewöhnlich

Wie kann man Gäste heute noch begeistern – und warum ist die Zeit der Standardlösungen vorbei? Die Gastro-Experten Patrick Tanner und Mario Klumaier geben Antworten. Mit Mittelmäßigkeit kommt man nicht weit: Darin sind sich Patrick Tanner und Mario Klumaier einig. Mit ihrem Unternehmen Klumaier x Tanner entwickeln sie fortschrittliche Komplettlösungen für die Gastronomie und Hotellerie – und denken dabei lieber einmal mehr um die Ecke als geradeaus. Wir haben die beiden zum Gespräch getroffen.

 

WIR BLICKEN NUN AUF DIE ERSTE WINTERSAISON OHNE LOCKDOWNS ZURÜCK. WIE HABEN SIE DIESE ZEIT ERLEBT? Patrick Tanner: Zu Beginn war es vor allem eine unsichere Phase, geprägt von vielen Fragen: Wie lange werden wir wirklich ohne Einschränkungen auskommen? Wird man wieder unter Menschen gehen wollen? Und, vor allem: Braucht es Tourismus und Gastronomie überhaupt noch? Als wir gemerkt haben, dass diese Ängste unbegründet und die Hotels und Restaurants rasch wieder ausgebucht waren, ist eine große Last von unseren Schultern gefallen. Plötzlich wurde spürbar: Es könnte wirklich wieder so werden, wie es einmal war.

 

ABGESEHEN VON DEN NACHWIRKUNGEN DER PANDEMIE: WELCHE THEMEN UND ENTWICKLUNGEN PRÄGEN TIROLS TOURISMUS DERZEIT? Mario Klumaier: Die Weiterentwicklungen im eigenen Gebäude sind das Thema Nummer 1 – insbesondere wenn es darum geht, sich vom Mitbewerb abzugrenzen. Es wird in Qualität investiert, und speziell für die Gastronomie werden große Flächen bereitgestellt. Der Trend geht definitiv hin zu exklusiverem Tourismus. Patrick Tanner: Tirols Touristiker:innen und Skigebiete haben in den letzten Jahren wirklich viel investiert, nicht umsonst zählt unsere Infrastruktur heute zu den modernsten der Welt. Der Gast ist – trotz der Preissteigerungen – bereit, viel Geld dafür auszugeben. Allerdings zahlt er nicht für Betriebe, die sich in den letzten Jahren vor Investitionen und Weiterentwicklungen gescheut haben.

 

SIE HABEN SICH BEWUSST WEG VON STANDARDISIERTEN PRODUKTEN UND HIN ZU INDIVIDUELLEN LÖSUNGEN BEWEGT, SOGAR WEINSCHRÄNKE ENTWICKELN SIE MITTLERWEILE SELBST. WAS HAT SIE DAZU MOTIVIERT, DIESEN WEG EINZUSCHLAGEN? Patrick Tanner: Dieser Ansatz kommt ursprünglich aus Marios Familie, deren Familienwerkstätte seit jeher Sonderbauprojekte nach Maß umgesetzt hat, von der Küchenvitrine bis zum Weinschrank. Irgendwann sind dann die großen Fertigungsriesen auf den Plan getreten – mit Standardprodukten, die alleine aus wirtschaftlichen Gründen nicht nachzubauen waren. Heute spüren wir bei den Kund:innen eine große Begeisterung für die Manufaktur. Diese Begeisterung, wenn Erwartungen übertroffen werden, gibt es bei Standardlösungen nicht. Allerdings muss man bereit sein, sich etwas zu trauen. Auch mein Vater hat schon viele Sonderlösungen umgesetzt und dabei trotz Rückschlägen nie aufgegeben. Der Mut, etwas Besonderes zu machen, ist uns beiden sozusagen in die Wiege gelegt worden. Mario Klumaier: Der Pioniergeist und die Begeisterung für unsere Lösungen zieht sich durch sämtliche Bereiche und wird auch von unseren Mitarbeiter:innen im gesamten Prozess mitgetragen – von der Idee bis zur Servicetechnik. Dadurch können wir uns auch stetig weiterentwickeln. Aber es gibt noch immer viel Luft nach oben.

 

STICHWORT MITARBEITER:INNEN: WAS ZEICHNET IHR TEAM AUS? Patrick Tanner: Bei uns gibt es keine Mittelmäßigkeit. Wer den Weg mit uns geht, weiß, dass wir viel Leistung erwarten – auf einer fairen Basis. Mario und ich versuchen, diesen hohen Anspruch jeden Tag vorzuleben: Wir machen nichts halbherzig, sondern wenn, dann perfekt. Wir binden unsere Mitarbeiter:innen aber auch intensiv in unser Betriebsdenken und -feeling ein, die Arbeit auf Augenhöhe ist uns sehr wichtig. Mario Klumaier: Das Tolle ist, dass der:die Kund:in diese Anerkennung und Wertschätzung auch an die Mitarbeiter:innen weitergibt. Und dieser Zuspruch wiederum motiviert jede:n Einzelne:n dazu, sich weiterzuentwickeln.

 

DANEBEN ENTWICKELN SICH AUCH DIE ANSPRÜCHE DER GÄSTE LAUFEND WEITER. WO VERORTEN SIE HIER BESONDERE HERAUSFORDERUNGEN? Patrick Tanner: Der Gast will ein Wohlfühlpaket – aber nicht in Form von 50 halbherzigen Salaten am Buffet und unzähligen Eindrücken, die das Auge gar nicht mehr erfassen kann, sondern in Form von Reduktion und Beruhigung. Er sucht die Qualität, das Echte und das Wertige. Eine vorgegauelte Show rund um die Uhr ist nicht mehr gefragt.

 

SPIEGELT SICH DAS BEDÜRFNIS NACH REDUKTION AUCH IM DESIGN WIDER? Patrick Tanner: Definitiv. Schlichte Einfachheit in puncto Materialien und Farben ist ein großer Trend. Mit wenigen Formen, Farben und Materialien aus regionalen Ressourcen lässt sich schon Großes bewirken. Aber auch die Räume selbst verändern sich: Früher wurden viele Personen in kleinen Zimmern zusammengesteckt, heute schafft man größere Gästeräume für weniger Menschen. Im Speisesaal geht der Trend hin zu individuellen Stuben und Wohlfühlräumen. Mario Klumaier: Schon alleine die prekäre Personalsituation zwingt uns dazu, dem Massentourismus den Rücken zu kehren und uns kleineren, feinen und qualitativ hochwertigen Angeboten zuzuwenden, die ein großzügigeres Angebot für weniger Gäste bieten. Da ist ein entsprechender Preis dann auch gerechtfertigt. Das ist ja im Grunde auch unserer Philosophie: Mit Menschen, die voll zu uns stehen, tolle Produkte zu schaffen, die wirklich begeistern.

 

WAS WÜNSCHEN SIE SICH FÜR DIE NÄCHSTEN JAHRE? Patrick Tanner: Ich würde mir wünschen, dass es uns gelingt, mit unserer Vision, der Liebe zu unserer Tätigkeit und motivierten Mitarbeiter:innen in den nächsten fünf Jahren sorglos arbeiten zu können. Mario Klumaier: Ich denke, gerade in unserer Branche ist es schwierig, lange vorauszuplanen. Unsere Arbeit ist von so vielen Faktoren abhängig, dass wir immer kurzfristig reagieren müssen. Wenn man eine Beule hat, muss man sie wieder glatt bügeln. Das weiterhin zu schaffen, ist ein wichtiger Vorsatz für mich.

Redaktion:

Andrea Lichtfuss / Tirolerin

Fotos: Charly Schwarz, David Johansson, Klumaier x Tanner